Als erster prominenter homosexueller Fußballer begründet Hitzlsperger im ZEIT-Interview sein langes Schweigen. Unser Kolumnist will die Debatte im Sport voranbringen.
Vor vier Monaten zog sich Thomas Hitzlsperger aus dem öffentlichen Leben als Fußballprofi zurück. Nun wendet er sich noch einmal an die Öffentlichkeit. Der Münchener hat sich entschieden, mit einem in der Fußballwelt bislang tabuisierten Thema in die Offensive zu gehen: "Ich äußere mich zu meiner Homosexualität", sagt Hitzlsperger im Gespräch mit der ZEIT, die am Donnerstag erscheint, "weil ich die Diskussion über Homosexualität unter Profisportlern voranbringen möchte". Er habe das Gefühl, dass jetzt, nach dem Ende seiner Karriere, ein guter Moment dafür gekommen sei.
Homosexualität - Die Videobotschaft von Thomas Hitzlsperger
"Homophobe Leute haben jetzt einen Gegner mehr", sagt der frühere Nationalspieler Thomas Hitzlsperger. In einer Videobotschaft hat er sich zu seinem Coming-out geäußert, die seine Kommunikationsagentur dictum law veröffentlichte.
Das Bewusstsein, homosexuell zu sein, war "ein langwieriger und schwieriger Prozess" im Leben des 31-jährigen ehemaligen Mittelfeldspielers, der zwischen 2004 und 2010 insgesamt 52 Spiele für die Deutsche Nationalmannschaft absolvierte. "Erst in den letzten Jahren dämmerte mir, dass ich lieber mit einem Mann zusammenleben möchte", sagt Hitzlsperger. Er äußert sich so offen, wie es vor ihm noch kein anderer deutscher Profi getan hat. Homosexualität werde im Fußball "schlicht ignoriert". Bis heute kenne er keinen Fußballer persönlich, der das zu seinem Thema gemacht habe.
Hitzlsperger spielte in der Jugend für den FC Bayern München, 2000 wechselte er zum englischen Premier-League-Verein Aston Villa. Danach war er Kapitän des VfB Stuttgart, sammelte Erfahrung bei Lazio Rom in der Serie A, spielte für den VfL Wolfsburg und kehrte 2012 in die Premier League zum FC Everton zurück. "In England, Deutschland oder Italien ist Homosexualität kein ernsthaftes Thema, nicht in der Kabine jedenfalls", erinnert sich Hitzlsperger.
Er habe sich immer wieder über die Widersprüche geärgert, die in der Fußballwelt im Umgang mit Homosexualität aufgebaut würden. Der Profisport sei ein absolut harter Leistungssport: "Kampf, Leidenschaft und Siegeswille sind untrennbar miteinander verknüpft". Das passe nicht zu dem Klischee, das sich viele Leute von einem Homosexuellen machten, nämlich: "Schwule sind Weicheier."
Hitzlsperger sagt: "Ich habe mich nie dafür geschämt, dass ich nun mal so bin". Trotzdem seien die Sprüche der Kollegen nicht immer einfach zu ertragen gewesen. "Überlegen Sie doch mal: Da sitzen zwanzig junge Männer an den Tischen und trinken. Da lässt man die Mehrheit gewähren, solange die Witze halbwegs witzig sind und das Gequatsche über Homosexuelle nicht massiv beleidigend wird."
Im ZEIT-Interview berichtet Hitzlsperger unter anderem über die Lebensphase, in der seine Homosexualität für ihn selbst zum Thema wurde und über die Reaktionen von Bundestrainer Joachim Löw und dem Teammanager Oliver Bierhoff, nachdem er sie darüber informiert hatte, mit dem Thema an die Öffentlichkeit zu gehen.
Hitzlsperger ist seit 2009 Kolumnist für ZEIT ONLINE. In der Gesprächsserie Alles außer Fußball redet er regelmäßig über gesellschaftsrelevante Themen und versucht, das Phänomen Fußball aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Zuletzt sprach er über Doping, überhöhte Gehälter und auch über Homosexualität im Fußball.
Das vollständige Interview mit Thomas Hitzlsperger lesen Sie in der ZEIT-App für iPad, iPhone und Android-Tablet, sowie im PDF der ZEIT und in der gedruckten Ausgabe.