Von Alexander Hagelüken und Jan Schmidbauer
Wer heute mit Thomas Hitzlsperger spricht, der merkt gleich: Dieser Mann ist mit sich im Reinen. Er war der erste prominente Fußballer in Deutschland, der sagte: Ich bin homosexuell. Seine Fußballkarriere war da schon zu Ende. Trotzdem gehörte eine Menge Mut dazu. Verändert hat sich, gut zweieinhalb Jahre danach, nicht besonders viel: Homosexualität im Fußball, das ist noch immer ein Tabuthema. "Ich wollte auch nicht die ganze Welt missionieren", sagt er. Aber es ist ihm ein Anliegen, Vorurteile abzubauen. "Ich spreche oft in Schulklassen und freue mich, dass das Interesse so groß ist. Ich will denen einfach sagen: Natürlich kannst du schwul UND Profi-Fußballer sein."
Als Treffpunkt für das Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung hat der ehemalige Fußballprofi ein Café im Münchner Stadtteil Haidhausen vorgeschlagen. Hitzlsperger, der seine Karriere mit sieben Jahren beim FC Bayern begann, lebt heute wieder in München und arbeitet als Fußball-Experte, vor allem für den Bayerischen Rundfunk. Er ist in Forstinning aufgewachsen, keine 30 Kilometer von München entfernt, und doch war es eine andere Welt dort.
Er lebt damals mit sechs Geschwistern auf einem Bauernhof, die Eltern sind Landwirte. "Meine Eltern hatten andere Sorgen, als zu überprüfen, wie ich in der Schule war." Es war wichtiger, dass es dem Vieh gut geht und dass die Ernte stimmt. Da er in einem katholischen Haushalt aufwuchs, musste er oft in die Kirche. Sein Vater gab ihm Geld für den Klingelbeutel mit. "Ich habe überlegt: Wie viel gebe ich jetzt dem lieben Gott und wie viel behalte ich für die Eisdiele?" Als Jugendlicher stand er dann vor der Entscheidung: England oder Abitur? Hitzlsperger entschied sich dafür, als Profi-Fußballer auf die Insel zu gehen. Auch seine Familie hat ihm dazu geraten. "Die haben mein Talent erkannt", sagt er.
Bis zu seinem Karriereende galt Hitzlsperger als Fußballprofi, der nicht mit Geld protzt. Und natürlich hat das mit seiner Herkunft vom Bauernhof zu tun, sagt er. "Da spinnst du später nicht rum." In der Kabine sei früher gar nicht so oft über das Geld gesprochen worden. Und doch gab es junge Kollegen, die mit Brillanten im Ohr und großen Uhren in die Kabine kamen und ständig über Autos redeten. "Die finden sich oft in der 3. Liga oder tiefer wieder", sagt Hitzlsperger.
Zurzeit wird wieder viel darüber diskutiert, ob das Geld den Fußball nun endgültig kaputt oder zumindest langweilig macht. Hitzlspergers Expertise ist gefragt. Auch weil er die englische Liga so gut kennt, wie nur wenige andere Ex-Profis. Dort fließen nun noch mehr Millionen an die Vereine. Und trotzdem gehört die englische Nationalmannschaft mal wieder nicht zu den Favoriten bei der EM. "Da fehlen vor allem gute Trainer!" sagt der Experte Hitzlsperger, der für die EM bereits drei andere Favoriten ausgemacht hat.