Der Fußball grenzt nicht aus. Ein kurzer Satz, schnell gesagt, na klar, denkt man. Aber wer sich die Zeit nimmt, um genauer hinzuschauen, erkennt, wie herausfordernd die Umsetzung eines Fußballs ohne Diskriminierung tatsächlich sein kann.
Ein Vorstoß des Berliner Fußball-Verbandes (BFV) sorgt nun für Redebedarf beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) und den 21 Landesverbänden. Antrag Nr. 53, bewilligt auf dem letzten Verbandstag der Berliner und rechtskräftig ab dem 1. Juli, ermöglicht es künftig Menschen, die unter Geschlecht "divers" im Pass stehen haben oder sich mitten in einer Geschlechtsangleichung befinden, nach eigenem Empfinden zu entscheiden, wo sie Fußball spielen wollen. Ob in einer Männer- oder eine Frauenmannschaft. Damit schafft der BFV Fakten, wo bislang Unsicherheit herrschte. "Die meisten Landesverbände haben zumindest einen solchen Fall“, sagt Sven Wolf vom Badischen Fußballverband. Indem man klare Regelungen schaffe und Ansprechpartner bereitstelle, würden künftig mehr Menschen Vereinen beitreten, um selbst Fußball zu spielen oder eine ehrenamtliche Funktion zu übernehmen. So hoffen die Berliner und auch Sven Wolf.
Die 43 Jahre alte Berliner Fußballtrainerin Michaela Jessica Tschitschke aus Kreuzberg hat vor rund zehn Jahren eine Geschlechtsangleichung durchlaufen und ihren Personenstand geändert. "Es wäre gut, wenn viele Landesverbände zukünftig ähnlich wie hier beim BFV verfahren", sagt Tschitschke. "Zumindest würde es für die Personen in einer Transition die Zeit überbrücken, denn das ist doch ein längerer Prozess. Viele steigen in dieser Zeit ganz aus dem Sport aus." Als Mann hatte Tschitschke noch Hockey gespielt, doch nach der Transition sei ihr der Wechsel in eine Frauenmannschaft verboten worden. Also begann sie Fußball zu spielen. Doch auch wenn die Situation für Menschen des dritten Geschlechts oder Trans*-Menschen in Berlin besser scheint als anderswo, sagt Jessica Tschitschke: "In vielen Vereinen selbst hier in Berlin ist das Thema noch nicht angekommen."
Sven Wolf berichtet von einer Studie der Deutschen Sporthochschule Köln unter homosexuellen und transsexuellen Menschen aus dem Jahr 2019. 20 Prozent sagten dort aus, dass sie aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer Geschlechtsidentität auf Sport in ihrem Leben verzichten, vor allem aus Sorge heraus, öffentlich diskriminiert zu werden. "Das sind traurige Zahlen, mit denen wir uns als Fußballverbände nicht zufriedengeben können", sagt Wolf.
Der BFV-Referent zählte am Mittwoch zu den 42 Teilnehmern eines Erfahrungsaustausches "Sexuelle Vielfalt", den der DFB aufgrund der Pandemie als Videokonferenz anbot. Vertreterinnen und Vertreter aus 14 Landesverbänden wählten sich auf der Digitalplattform ein. Eröffnet wurde der knapp dreistündige Austausch von Thomas Hitzlsperger. "Berlin zeigt uns, wie ein Landesverband das Spielrecht für das dritte Geschlecht und Transgender-Menschen gestalten kann. Der Fußball ist für alle da. Um diesen Anspruch zu verwirklichen, braucht es den Beitrag aller", sagte der 52-malige Nationalspieler, der den DFB als Botschafter für Vielfalt berät.
[th]